Raubkunst-Prozess: Erben wollen Kandinsky zurück

Gut 80 Jahre nach dem Verkauf muss ein Gericht entscheiden, wem das "Bild mit Häusern" gehört

 29.10.2020 17:07 Uhr Aktualisiert

Die Erben der jüdischen Familie Lewenstein haben vor einem Amsterdamer Gericht die Rückgabe eines Gemäldes von Wassily Kandinsky gefordert. Das "Bild mit Häusern" (1909) sei im Oktober 1940 unter Druck des Nazi-Regimes dem Stedelijk Museum verkauft worden. Es sei ein klarer Fall von Raubkunst, sagte der Anwalt der Erben, Axel Hagedorn, am Donnerstag vor Gericht. "Das Bild muss den Hinterbliebenen zurückgegeben werden."

LENBACHHAUS Das Bild wurde gemeinsam mit dem Werk "Das bunte Leben" (1907), ebenfalls vom russischen Maler Kandinsky, verkauft worden. Auch dieses Bild, das heute im Münchner Lenbachhaus hängt, wollen die Erben zurückbekommen. Darüber entscheidet aber die deutsche "Beratende Kommission im Zusammenhang mit der Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturguts, insbesondere aus jüdischem Besitz".

Das Amsterdamer Kunstmuseum hatte Kandinskys "Bild mit Häusern" 1940 für 160 Gulden ersteigert - nach Angaben der Kläger deutlich unter dem damaligen Wert. "Das Museum handelte nicht in gutem Glauben", erklärten die Anwälte.

Die Erben fordern, dass das Gericht eine Entscheidung der niederländischen staatlichen Rückgabe-Kommission für ungültig erklärt. Diese hatte 2018 den Anspruch der Erben abgewiesen. Das Bild sei auch wegen finanzieller Schwierigkeiten der Lewensteins verkauft worden. Das Interesse des Museums wiege schwerer als das der Erben. Der Spruch aber verstößt nach Ansicht der Kläger gegen die sogenannten Washingtoner Prinzipien zum Umgang mit NS-Raubkunst.

Die Kläger bezweifeln auch die Objektivität der Kommission. Mindestens drei der sieben Mitglieder hatten ein Gutachten zufolge geschäftliche Beziehungen zu dem Museum, dem sie das Bild am Ende zugesprochen hatten.

PREIS Unbestritten ist: Das Bild aus der Sammlung Lewenstein war unter dem Eindruck des NS-Regimes im Oktober 1940 versteigert worden - fünf Monate nach dem Überfall der deutschen Wehrmacht auf die neutralen Niederlande.

Das Museum kaufte den Kandinsky damals für 160 Gulden. "Das war auch für damalige Verhältnisse ein Witz", sagt der Erben-Anwalt Hagedorn der Deutschen Presse-Agentur in Amsterdam. "Der Wert des Gemäldes wurde damals bereits auf 2000 bis 3000 Gulden beziffert."

Die niederländische Restitutionskommission hatte Ansprüche der Erben jedoch zurückgewiesen und auch angeführt, dass die Lewensteins-Eigner einer Nähmaschinenfabrik - schließlich das Bild freiwillig zum Verkauf angeboten hätten.

URTEIL Die Rechtsvertreter des Museums und der Stadt wiesen die Vorwürfe als unbegründet zurück. Die Kommission hat unabhängig und objektiv entschieden. Das Urteil soll am 16. Dezember gesprochen werden. Wann das Gericht in Amsterdam entscheidet, ist unklar. dpa