- Am Freitag haben mehrere Nachfahren der früheren jüdischen Eigentümer des Kandinsky-Gemäldes "Das bunte Leben" Klage vor einem New Yorker Distriktgericht eingereicht. Sie fordern eine Herausgabe des Bildes oder 80 Millionen Dollar.
- Sie werfen der BayernLB vor, beim Kauf 1972 gewusst zu haben, dass es sich um Raubkunst handelt.
- Die niederländische Industriellen-Familie Lewenstein hatte das Bild 1940 mit der Besetzung der Niederlande durch die Nazis verloren. Die genauen Umstände sind allerdings nicht bekannt.
Von Frederik Obermaier und Kia Vahland
Eines der wichtigsten Werke im Münchner Lenbachhaus ist offenbar NS-Raubkunst: Nach Recherchen der Süddeutschen Zeitung verlor die niederländische Industriellen-Familie Lewenstein Wassily Kandinskys "Das bunte Leben" 1940 mit der Besetzung der Niederlande durch die Nazis. Das Bild ist seit Anfang der Siebzigerjahre im Besitz des Lenbachhauses, Münchens städtischer Kunstgalerie. Am Freitag haben mehrere Nachfahren der früheren jüdischen Eigentümer Klage vor einem New Yorker Distriktgericht eingereicht. Sie fordern die Rückgabe des Gemäldes oder 80 Millionen Dollar. Damit droht München eines seiner wichtigsten Kunstwerke zu verlieren.
Offizieller Eigentümer des Kandinsky-Bildes ist die Bayerische Landesbank (BayernLB), die zum größten Teil dem Freistaat gehört. Die BayernLB hat das Werk 1972 auf einer Auktion in den Niederlanden nach eigenen Angaben "auf Veranlassung der Landeshauptstadt München" erworben und dem Lenbachhaus als Dauerleihgabe überlassen.
Sicher ist: Die Lewensteins haben sich von dem Werk nicht aus freien Stücken getrennt
Die Nachfahren der Lewensteins werfen der BayernLB vor, gewusst zu haben oder zumindest wissen zu müssen, dass es sich um ein Gemälde handelt, das der Familie während der Besetzung der Niederlande "geraubt" wurde, wie es in der Klageschrift heißt. Tatsächlich ist es heute nicht mehr nachvollziehbar, ob das Gemälde gestohlen oder von einem Bekannten der Familie weitergegeben wurde. Sicher aber haben sich die Lewensteins von dem Werk nicht aus freien Stücken getrennt, sondern waren durch die Judenverfolgung dazu gezwungen worden.
Bereits 2015 hatten sich die Nachfahren an die BayernLB gewandt. Die Landesbank hatte eine Herausgabe des kunsthistorisch unschätzbar wichtigen Werkes, das die abstrakte Moderne miteinläutete, jedoch verweigert. "Rechtliche Ansprüche hinsichtlich des Gemäldes, insbesondere auf Herausgabe, sind uns nicht ersichtlich", hieß es in einem Schreiben.
Die BayernLB erklärte sich jedoch bereit, die sogenannte Limbach-Kommission anzurufen, welche in Deutschland Empfehlungen zur NS-Raubkunst gibt. Die Entscheidungen der unabhängigen Kommission sind in der Bundesrepublik respektiert, aber nicht bindend. Die Kommission hat drei Möglichkeiten: Sie kann empfehlen, dass ein Bild im Museum bleiben soll, dass es an die Erben herausgegeben wird oder aber dass diese eine Entschädigung erhalten. Die BayernLB knüpfte die Anrufung des Gremiums in seinem Schreiben an die Nachfahren der Eigentümer jedoch 2016 an eine Bedingung: Egal, wie die Kommission entscheide, sollte das Bild am Ende im Lenbachhaus bleiben, um "dem besonderen Bezug Kandinskys zur Stadt München und der Region Oberbayern" Rechnung zu tragen. Die Nachfahren werteten dies als "verletzend, unsensibel und ungerecht".
Klage statt Gutachter-Empfehlung
Nachdem sie zunächst jeglichen Kommentar abgelehnt hatte, lenkte die BayernLB am Donnerstag ein. Man sei "gerne bereit" sich an einem Verfahren vor der Limbach-Kommission zu beteiligen, hieß es in einem Schreiben an die Süddeutsche Zeitung. Die Entscheidung der Kommission solle "als verbindlich" gelten. Die bayerische Landesregierung als Mehrheitseigentümerin der BayernLB ließ am Freitag über das Finanzministerium erklären, eine rasche Klärung der Sache zu begrüßen. Es gehe "um größtmögliche Transparenz und Nachprüfbarkeit".
Anstatt nun schnell eine beidseitige Anrufung der deutschen Limbach-Kommission zu forcieren, reichten die Anwälte der Nachfahren am Freitag in New York Klage ein. Die Familie habe schon einmal vorgeschlagen, die Limbach-Kommission einzubeziehen, erklärte ein von den Nachfahren des Lewensteins beauftragter Kunstdetektiv. Es sei aber schließlich die BayernLB gewesen, die dies abgelehnt hat.